Veranstaltung: | Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | #2 Antrag A1 Freiflächen |
Antragsteller*in: | AG Stadtentwicklung und Mobilität (dort beschlossen am: 23.01.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.01.2017, 12:07 |
A1: Freiräume für Lebensqualität sichern, Flächennutzung nachhaltig gestalten
Antragstext
Leipzig ist eine wachsende Stadt. Gerade innerhalb des Innenstadtrings sowie in
den direkt angrenzenden Stadtvierteln geht damit ein Bauboom einher, mit dem die
Erschließung neuer Stadtquartiere auf vormals ungenutzten Brachflächen verbunden
ist. Mit der Bebauung von Brachen setzt eine Nachverdichtung innerhalb
städtischer Strukturen ein, die aus unserer Sicht Chancen, aber auch Risiken
birgt. Die Schließung von Baulücken ermöglicht es, einst geschlossene
städtebauliche Strukturen wiederherzustellen. Mit der höheren Einwohnerdichte
können viele Quartiere ein größeres und differenziertes soziales, kulturelles
und wirtschaftliches Angebot erlangen und damit letztlich an Urbanität gewinnen.
Mit der Strategie einer 'Doppelten Innenentwicklung' können vorhandene
Flächenreserven baulich sinnvoll genutzt und gleichzeitig innerstädtische
Freiräume gesichert und entwickelt werden. Dem Prinzip 'Innenentwicklung vor
Außenentwicklung' folgend kann vermieden werden, dass größere zusammenhängende
Freiflächen in städtischen Randlagen versiegelt und zersiedelt werden. Auf diese
Weise wird auch zur Verkehrsvermeidung beigetragen und kann der Anteil von Fuß-
und Radmobilität sowie öffentlichem Nahverkehr erhöht werden.
Zugleich drohen mit zunehmender Nachverdichtung wichtige ökologische, soziale
und kulturelle Freiräume zu verschwinden. Sie sind nicht nur durch die
Aktivitäten privater Bauträger gefährdet. Auch die Stadt Leipzig und die
kommunalen Unternehmen greifen in ihren Bauplanungen zunehmend auf Brachen und
größere zusammenhängende Freiflächen zurück. Die wachsende Stadt braucht nicht
nur eine deutlich größere Zahl an Wohnungen und Gewerbeflächen, sondern auch
soziale Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Schwimmhallen und vieles mehr. All das
zeigt: die Verteilungskonflikte um vorhandene Freifräume nehmen zu. Umso
wichtiger ist es, berechtigte Interessen am Neubau von Wohnungen, öffentlicher
Infrastruktur und Gewerbe mit dem Erhalt von Freiflächen abzuwiegen. BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN in Leipzig wollen vorhandene und künftige Freiräume für Klima,
Kultur und Erholung sichern und die Flächennutzung in der wachsenden Stadt
nachhaltig gestalten!
Freiflächen für Erholung und soziale und kulturelle Nutzungen sichern!
Neben ihrer stadtökologischen Bedeutung besitzen Freiflächen einen hohen Wert
für die Lebensqualität der BewohnerInnen. Nicht nur Parkflächen, sondern auch
die vielen in den letzten Jahrzehnten oft zufällig entstandenen Grünflächen auf
privaten Grundstücken tragen zum Eindruck einer grünen Stadt bei. Durch marode
Bausubstanz und mangelnde Attraktivität für die Immobilienwirtschaft
entwickelten sich häufig als Zwischennutzung angelegte lebendige Freiräume, die
erheblich zur Lebensqualität in den Quartieren beitragen. Viele Baulücken und
zusammenhängende unbebaute Flurstücke werden aktiv durch Kreative und Künstler,
Freizeitsportler und Erholungssuchende genutzt. Bereits jetzt sind einige dieser
aktiv genutzten Freiflächen verschwunden, viele sind bedroht. Zugleich steigt
durch das Einwohnerwachstum der Bedarf an Freiflächen für kulturelle und soziale
Zwecke. Grünes Ziel muss es sein, genügend Freiflächen als öffentlichen Raum für
unterschiedliche Bedürfnisse zu sichern.
Gerade angesichts der absehbaren baulichen Nachverdichtung in allen
innenstadtnahen Stadtteilen müssen Kriterien und transparente Verfahren für die
kleinräumige Sicherung von Freiflächen entwickelt werden. Dringend notwendig ist
eine kommunale Freiflächenstrategie, in der ökologische und soziale Kriterien
für den Erhalt von Freiflächen definiert werden. Dabei muss die vorhandene und
künftige Bevölkerungsdichte ebenso wie der gesicherte Grünflächenanteil und die
Nähe zu größeren zusammenhängenden Parks oder Wäldern berücksichtigt werden. Der
Zugang zu Freiflächen für kulturelle und soziale Initiativen muss durch
Transparenz der vorhandenen Flächen und eine umfassende Bürgerbeteiligung im
Stadtteil gewährleistet werden. Wir unterstützen bürgerschaftliches Engagement
für Erhalt, Erschließung und Nutzung von Freiflächen. Initiativen, um
unterschiedliche Ideen und Aktivitäten zu bündeln und ggf. Freiflächen im
Erbbaurecht zu nutzen und zu verwalten, sollen seitens der Stadtverwaltung z.B.
durch Beratung, Flächenerwerb und Konzeptvergabe aktiv unterstützt werden.
Die Sicherung von Freiflächen darf sich nicht auf kommunale Flächen begrenzen.
Die Stadt muss alle verfügbaren Instrumente nutzen, um unbebaute private Flächen
zu sichern, die eine hohe Bedeutung für die Lebensqualität eines Wohnumfelds
oder Stadtteils aufweisen. Im Einzelfall sind die Neuaufstellung von
Bebauungsplänen, Flächenankäufe oder Entschädigungen zu prüfen.
Angesichts der zunehmenden Flächenknappheit ist es wichtig, die
unterschiedlichen Interessen und Bedarfe zu bündeln. Einen Vorteil bieten
Mehrfachnutzungen, die wie z.B. bei Urban Gardening Projekten sowohl sozialen
bzw. kulturellen Anliegen dienen und zugleich für die Öffentlichkeit zugänglich
sind. Auch die stärkere Öffnung von Freiflächen in kommunaler Nutzung, z.B. von
Schulhöfen oder Spielplätzen von Kindergärten für eine öffentliche Teilnutzung
ist anzustreben.
Wir fordern deshalb:
1. Die Bereitstellung von relevanten Informationen (Fläche, anliegende Medien,
Eigentümer u.a.) über vorhandene Freiflächen für potentielle Nutzer durch ein
Freiflächenkataster im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten. Das derzeitige
öffentlich zugängliche Informationsangebot der Stadt Leipzig (Themenstadtplan,
flaechen-in-leipzig.de) ist entsprechend auszubauen.
2. Entwicklung eines kommunalen Kriterienkatalogs für die Sicherung von
Freiflächen, der u.a. Bevölkerungsdichte, stadträumlich differenzierte Anteile
und Erreichbarkeiten von Grünflächen berücksichtigt.
3. Entwicklung eines stadtteilbezogenen Flächenmanagements, mit dem unter
Einbeziehung der Bedürfnisse und Interessen der Bürgerschaft eine koordinierte
Sicherung, Vergabe und Nutzung von Freiflächen erfolgen kann.
4. Öffnung von Freiflächen in kommunaler Nutzung für öffentliche Teilnutzungen.
5. Nutzung aller vorhandenen kommunalen Instrumente zur Sicherung von
Freiflächen in privatem Grundbesitz.
Flächenbebauung nachhaltig gestalten
Gerade die Sicherung von Freiräumen für Klima und Lebensqualität erfordert eine
nachhaltige Bebauung der vorhandenen Flächen. Auch wenn das viele Jahre gültige
Leitbild der schrumpfenden und perforierten Stadt wichtige
Stabilisierungseffekte gezeigt hat, haben viele der damit verbundenen Konzepte
ausgedient. Die Genehmigung zweistöckiger Stadthäuser ist heute nicht mehr
vertretbar, die Begrünung von Häuserlücken weicht zurecht dem Bau von
Mehrfamilienhäusern. Um für notwendige Neubauten möglichst wenige unbebaute
Flächen zu verbrauchen, ist die Verdichtung der vorhandenen Siedlungsstrukturen
und die Nutzung ungenutzten Brachflächen sinnvoll.
Durch eine gut geplante Nachverdichtung in den innenstadtnahen Lagen, wo ein
Großteil der Arbeitsplätze, der Verwaltung und des Einzelhandels angesiedelt
ist, kann erreicht werden, dass Verkehrsströme im Zentrum und den angrenzenden
Tangenten vermieden werden oder nicht in dem Maße anwachsen, wie es bei einem
verstärkten Bebauung in Randlagen oder Vororten der Fall wäre. Ein zentrumsnaher
Wohnort mit zumeist nur begrenzter Stellplatzzahl kann anregen, Alternativen zum
Pkw zu suchen und zu finden. Deshalb sollte die Nachverdichtung vorrangig im
unmittelbaren Umfeld von Knotenpunkten des ÖPNV sowie entlang der Achsen der
Straßenbahn und der S-Bahn-Linien stattfinden.
Entscheidend für eine nachhaltige Flächenbebauung ist nicht nur, wo, sondern
auch wie gebaut wird. Um möglichst viele Freiflächen zu erhalten, müssen die
bebauten Flächen so effizient wie möglich ausgenutzt werden. Abhängig von der
Umgebungsbebauung sollten bei Wohnbauten in der Regel nur Mehrfamilienhäuser
genehmigt und zunehmend auch der Bau von Wohnhochhäuser ermöglicht werden.
Darüber hinaus sind auch Kriterien und Verfahren zu entwickeln, um Aufstockungen
auf bestehende Gebäude und eine flexiblere Handhabung der zulässigen Gebäudehöhe
insbesondere auf Grundlage der geplanten Baurechtsnovellierung und der
Einführung der Gebietskategorie 'Urbanes Gebiet' zu ermöglichen.
Angesichts der absehbaren Knappheit kommunaler Flächen ist insbesondere beim Bau
kommunaler Infrastruktur auf eine umfassende Flächenausnutzung zu achten. Ein-
bzw. zweigeschossige Kita-Bauten oder Supermärkte müssen ebenso der
Vergangenheit angehören wie eingeschossige monofunktionale Bauten. Ziel müssen
vielmehr Stapellösungen (vertikale Nutzungsmischung) sein, bei denen ggf.
unterschiedliche kommunale oder öffentliche und private Bauherren kooperieren.
Während das Handeln des Liegenschaftsamtes bisher vorrangig auf den Verkauf
städtischer Flächen orientiert war, braucht es künftig ein
Liegenschaftsmanagement, das sich an den Herausforderungen der wachsenden Stadt
orientiert. Kommunale Flächen sollten vorrangig für gemeinnützige Nutzungen in
den Bereichen öffentlicher Infrastruktur, des sozialen Wohnungsbaus und Gewerbe
bereit gestellt werden. Öffentliche Grundstücke sollten durch Erbbaupacht und
die Vergabe nach Konzept statt zum Höchstpreis vergeben werden. Ein Verkauf an
private Investoren soll nur dann erfolgen, wenn dies im Rahmen der kommunalen
Flächenstrategie vertretbar ist und die Erlöse in den Ankauf geeigneterer
privater Flächen reinvestiert wird. Angesichts der absehbar steigenden
Grundstückspreise sollte eine offensive Flächenbevorratung angestrebt werden.
Wir fordern:
1. Eine vorrangige bauliche Nachverdichtung durch Schließung von Baulücken
entlang der ÖPNV-Infrastruktur,
2. Die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine höhere
Baudichte und effiziente Flächenausnutzung durch Mehrgeschossbauten und
Wohnhochhäuser auf bisher ungenutzten Flächen,
3. Die Durchsetzung des Grundprinzips der vertikalen Nutzungsmischung bei
kommunalen Bauten und die Entwicklung von Konzepten der kooperativen
Bauherrenschaft,
4. Eine kommunale Liegenschaftsstrategie mit dem Ziel, städtische Flächen durch
Erbbaupacht und Konzeptvergabe zu vergeben und eine gezielte kommunale
Flächenbevorratung zu betreiben.
Begründung
Das Bevölkerungswachstum Leipzigs führt zunehmend zu einer Flächenknappheit. Treten die Prognosen von über 700.000 Einwohnern bis 2030 ein, so werden nicht nur bis zu 80.000 Wohnungen, sondern auch über hundert Kindertagesstätten und Schulen sowie weitere Einrichtungen der Daseinsvorsorge benötigt. Damit sind dringend benötigte Freiflächen für Stadtklima und Lebensqualität bedroht. Der Erhalt von Freiflächen wird derzeit bei der Erarbeitung des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts Integrierten Stadtentwicklungskonzepts INSEK 2030 diskutiert. Der vorliegende Antrag formuliert zentrale Ziele und Maßnahmen, um wichtige Freiräume zu erhalten und eine nachhaltige Bebauung von Flächen zu ermöglichen.
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